Executive Summary:
- Mit neuen deutschen CO2 Emissionszertifikaten sollen Klimaschutzziele erreicht werden.
- Die europäischen Zertifikate nach dem Grandfathering-Prinzip (Eigentum an den Zertifikaten bei den bisherigen Erzeugern) haben nicht funktioniert.
- Das Eigentum an den deutschen Zertifikaten liegt beim Staat, nicht bei den Verbrauchern.
- Die jetzt eingeführten nationalen Zertifikate funktionieren voraussichtlich auf der Erzeugerseite, weil diese keine kostenlosen Zertifikate mehr erhalten (kein Grandfathering).
- Der Zertifikatehandel erhöht Produktpreise und führt zu Einnahmen beim Staat (Eigentümer der Zertifikate), reduziert aber die Kaufkraft der Verbraucher.
- Die Emissions-Obergrenze wird möglicherweise verschoben, damit Zertifikatspreise nicht zu hoch steigen und die Akzeptanz bei Wählern nicht verloren geht.
- Das Konzept führt nicht zu motivierten Aktivitäten Vieler (Verbraucher haben reduzierte Kaufkraft und Erzeuger haben in der Folge weniger Nachfrage) – Strukturwandel braucht aber Anstrengung, Wettbewerb und Kreativität.
- Stattdessen führt es tendenziell zu ineffizienten staatlichen Entscheidungsprozessen mit begrenztem Wissen, Wahlgeschenken und der Gefahr einer Gefälligkeitskultur.
- Dies könnte vermieden werden, wenn das Eigentum an den CO2 Emissionszertifikate bei den Verbrauchern liegt.
Zur Erreichung der in internationalen Abkommen vereinbarten Klimaziele stellt die Bundesregierung mit dem „Klimaschutzprogramm 2030“ ein umfangreiches Maßnahmenpaket vor. Zur Reduzierung von CO2 Emissionen soll zusätzlich zu dem 2005 eingeführten Europäischen Emissionshandel ein nationaler Marktplatz für CO2 Emissionszertifikate eingeführt werden. Offensichtlich hat der bestehende europäische Emissionshandel nicht ausreichend Wirkung entfaltet. Es stellt sich die Frage nach den Gründen und ob die richtigen Konsequenzen daraus gezogen wurden.
Obwohl es wohl eine ganze Reihe von Gründen für eine steigende CO2 -Konzentration gibt, wurde beschlossen, die wissenschaftlich festgestellte Hauptursache zu adressieren und die Maßnahmen auf eine Reduktion der Förderung und Verbrennung von fossilen Energieträgern abzustellen. Unternehmen, die (auf fossilen Energieträgern basierte) Heiz- oder Kraftstoffe in den Verkehr bringen, sollen verpflichtet werden, dafür Verschmutzungsrechte in Form von Zertifikaten zu besitzen.
Grundsätzlich ist es möglich, die Berechtigung zur Emission von CO2 vom Produkterzeuger zu fordern oder beim Verbraucher anzusetzen. Die Pläne der Bundesregierung stellen auf den Erzeuger ab, wohl auch, weil Erzeuger leichter kontrolliert werden können.
Inhaber von Zertifikaten können diese nutzen oder sie auf einem Marktplatz verkaufen beziehungsweise zusätzliche Zertifikate einkaufen. Durch Angebot und Nachfrage auf diesem Marktplatz entsteht ein Preis. Dadurch werden Verbraucher zum Haushalten und Produzenten zu Effizienzsteigerungen veranlasst.Im Klimaschutzprogramm der Bundesregierung wird zunächst ein fester, jährlich steigender Preis für CO2 Emissionen festgelegt. Ab 2026 soll eine maximale Emissionsmenge festgelegt und ein Handel mit Zertifikaten zur Preisbildung eingeführt werden. Unternehmen, die Heiz- oder Kraftstoffe in Verkehr bringen, müssen dafür Berechtigungszertifikate vom Staat oder auf einer Handelsplattform erwerben.
Bis 2026 soll durch staatlich festgesetzte Mindest- und Höchstpreise die Preisbildung in einem begrenzten Korridor gehalten werden. 2025 soll festgelegt werden, inwieweit derartige Preisgrenzen auch für die Zeit ab 2027 sinnvoll und erforderlich sind. Einnahmen aus der CO2-Bepreisung sollen vom Staat an die Bürger und Unternehmen verteilt werden.
Diese von der Bundesregierung beschlossenen Massnahmen werden von unterschiedlicher Seite als nicht ausreichend bewertet. Insbesondere wird kritisiert, dass in den nächsten Jahren bis 2026 nicht die Menge der CO2Emissionen – also die Anzahl der Zertifikate – festgelegt wird, sondern ein Preisniveau bestimmt werden soll, das „akzeptabel“ ist und in seiner Höhe noch keinen starken Anreiz zur Verhaltensänderung geben dürfte.
Kritisiert wird ausserdem, dass durch die CO2 -Bepreisung „kleine“ Leute belastet werden. Deshalb versucht der Staat auch, die Belastungen wieder auszugleichen, z.B. durch eine erhöhte Pendlerpauschale. Damit würde jedoch der angestrebte Effekt wieder relativiert.
Es wird in Frage gestellt, ob Marktprozesse überhaupt geeignet sind, die Herausforderungen des Klimawandels für die menschliche Zivilisation zu bewältigen.
Deshalb soll nachstehend dargestellt werden, welche Wirkungen Marktprozesse haben und inwieweit staatliche Lenkungsmaßnahmen Marktprozesse in der Vergangenheit nicht erfolgreich ersetzen konnten.
Marktwirtschaft schafft Wohlstand und ist ein Lern- und Entdeckungsprozess
In einem transparenten und effizienten Markt suchen Käufer subjektiv bewertete Güter[1] und vergleichen Preise. Der Kauf erfolgt normalerweise beim kostengünstigsten Anbieter. Im Wettbewerb können sich Anbieter also gezwungen sehen, ihren Preis bis auf die Erzeugungskosten zu senken, wenn es günstigere Anbieter gibt. Produzenten suchen deshalb nach den effizientesten Erzeugungsmöglichkeiten. Unternehmer versuchen, vergleichbare Produkte zu verbessern, um über ein Alleinstellungsmerkmal möglichst lange Monopolgewinne zu erzielen. Das treibt einen Lern-und Entdeckungsprozess des Marktes.
Bewertungen im Tauschprozess sind subjektiv, weil Bedarf etwas Subjektives ist und Dritte nicht beantworten können, nach welchen Maßstäben objektive Bewertungen nützlich sind. Auch stellt sich die Frage, wer für wen „objektive“ Bewertungen vornimmt und ob Entscheidungsträger über das notwendige Wissen verfügen, den Nutzen einer Güterverwendung in speziellen Situationen zu beurteilen. Marktprozesse führen also unter idealtypischen Voraussetzungen dazu, dass die verfügbaren Produktionsfaktoren effizient der bestmöglichen Verwendung zugeführt werden.
Preise sind Informationen, an denen sich im Wettbewerb stehende Menschen bei ihren Entscheidungen orientieren. Sie spiegeln das Wissen beziehungsweise die Einschätzung der Handelnden über Verfügbarkeit von und Bedarf an Gütern, Produktionsmitteln oder auch Dienstleistungen und immateriellen Gütern wie Musik oder Literatur wider.
Entscheidend für den Erfolg eines Marktprozesses ist, dass Marktteilnehmer in einer sich wandelnden unvollkommenen Welt über die Einschätzungen und Kalkulationen verfügen, die sich hoffentlich im Nachhinein als richtig oder passend erweisen. Fundierte Analysen sichern diese Einschätzungen ab. Aber letztlich verfügt niemand über das gesamte vorhandene Wissen hinsichtlich des Angebots an Produktionsmitteln, deren technische Umsetzungsmöglichkeiten und die tatsächlichen Bedürfnisse in der Zukunft. Ineffiziente Erzeuger oder Anbieter von nicht nachgefragten Produkten scheiden aus dem Markt aus. Dementsprechend spiegelt die Tauschwirtschaft – Marktwirtschaft – wider, dass Menschen Teil eines evolutorischen Prozesses sind und ihre Lebensbedingungen in einem Trial-and-Error-Prozess bestmöglich gestalten müssen.
In diesem Sinne ist Freiheit kein Wert, sondern Handlungsfreiheit zur kreativen und nützlichen Gestaltung.
In Gesellschaften, bei denen es vor allem kollektives Eigentum oder sehr zentral gesteuerte wirtschaftliche Entscheidungsprozesse gibt, besteht ein gravierendes Wissensproblem. Deshalb waren auch sozialistische Gesellschaften mit Gemeinschaftseigentum und staatlicher Steuerung wirtschaftlich nicht erfolgreich. Produktionsprozesse, Produktionskapital und langlebige Konsumgüter wie Immobilien veralteten und nutzten sich ab. Anpassungsprozesse an sich verändernde Lebensbedingungen verliefen häufig träge, weil der zentral abgestimmte Entscheidungsprozess ineffizient und aufgrund von fehlendem Detailwissen bei den Entscheidungsträgern unpräzise war. Zentral verfügbares Wissen war limitiert und schnell veraltet. Nicht freiwilliger Tausch und Preise haben Zugang zu Produkten und Produktionsmitteln verschafft, sondern die Entscheidungen von Autoritäten. Deren Kenntnisse über subjektiven Nutzen fehlten, und welche Produktions- und Konsumgüter gebraucht oder gewünscht wurden, war ihnen im Detail nicht bekannt. Daher stammt auch die Aussage, der Preis sei das gerechteste Ausschlussprinzip, weil keine Person über den Zugang zu materiellen und ideellen Gütern entscheidet, sondern eine Verfügungsmöglichkeit über Tauschmittel bestehen sollte, die aus einer selbst oder von Dritten erbrachten Wertschöpfung stammen.
Marktprozesse bewirken zwar eine bedarfsgerechte effiziente Produktion. Sie führen aber nicht zu einer wie auch immer verstandenen „gerechten“ Einkommens- und Vermögensverteilung, und sie können bei Dritten Kosten beziehungsweise Nachteile verursachen oder Nutzen schaffen, die nicht durch eine Gegenleistung gedeckt sind.
Marktwirtschaft wirkt nicht nur positiv – Externe Effekte
„Externe Effekte“ entstehen in einer Marktwirtschaft in Situationen, in denen Produktion oder Konsum bei Dritten Kosten beziehungsweise Nachteile verursachen, die nicht durch eine Gegenleistung gedeckt sind. Ein Beispiel für externe Kosten wäre, wenn ein Stahlwerk seine Abgase in die Luft bläst und dadurch Eigentum und Gesundheit von Nachbarn schädigt. Gibt es für den Verursacher keine finanziellen Konsequenzen, ignoriert er möglicherweise bewusst die Folgen. Die Reduzierung externer Kosten erfordert hoheitliche Koordination und kann zum Beispiel durch Verbote und Haftung erreicht werden.
Der Staat kann aber auch einen Lern- und Entdeckungsprozess des Marktes zulassen. Er kann dies tun, indem er Eigentumsrechte an öffentlichen, also individuell nicht trennbaren, Gütern schafft (Property Rights Approach). Ein historisches Beispiel für die Schaffung von Eigentumsrechten ist die Vergabe von Jagdrechten. Diese wurden in der Geschichte in unterschiedlichster Form festgelegt. Dadurch sollte nicht nur der Wildbestand geschont werden, sondern auch bestimmt werden, wer bezüglich des Wildbestands wirtschaftlich berechtigt und verpflichtet ist. Ein Beispiel aus jüngerer Zeit ist die oben beschriebene Ausgabe von CO2 Emissionszertifikaten, um in einem Marktprozess wirtschaftliche Anreize zum Haushalten und zu umweltschonender Produktion zu schaffen.
Der europäische Zertifikatehandel ab 2005
Die theoretischen Grundlagen für einen Handel mit Emissionsrechten entstanden bereits in den späten Sechzigerjahren des letzten Jahrhunderts[2]. Umgesetzt wurde das Konzept in der EU ab 2005. Bestehende Erzeuger erhielten Emissionsrechte entsprechend ihrem bisherigen Verbrauch, die sie bei einer Senkung ihrer Emissionen verkaufen können. Wurden Emissionen ausreichend gesenkt, mussten die Preise wegen zusätzlicher Zertifikatkosten nicht erhöht werden. Tatsächlich fielen die Zertifikatpreise nach der Einführung in einem langfristigen Trend.
Der Anreiz zur Einsparung war entsprechend über viele Jahre relativ gering. Konkurrierende Anbieter ohne Emissionen hatten keinen Wettbewerbsvorteil, so dass ein Strukturwandel wenig befördert wurde. Man bezeichnete dies als „Grandfathering“-Prinzip, was schon bei der Einführung als nicht zielführend kritisiert wurde.
Die nachfolgende Statistik zeigt, dass die CO2 Emissionen seit Jahren nicht mehr zurückgehen.
Es hat ohnehin lange gedauert, um den Property Rights Approach zur Begrenzung von CO2 Emissionen anzuwenden. Es ist wenig verwunderlich, wenn dann ein wenig wirksames System kritisiert wird. Wenn das europäische Handelssystem ausreichend Effekte erzeugt hätte, wäre ein nationales Zertifikatssystem für Deutschland wohl gar nicht notwendig. Ein neuer Fehler könnte Emotionen weiter steigern.
Ein nationaler Zertifikatehandel als Ergänzung und zur Vermeidung deutscher Strafzahlungen
Die nationalen Zertifikate müssen von Unternehmen erworben werden, die Kraft- und Heizstoffe in den Verkehr bringen. Dies erhöht die Kosten. Die Preise müssen steigen, um Verluste zu vermeiden. Es entsteht ein deutlich stärkerer Preiseffekt als in dem europäischen Zertifikathandel, in dem Produzenten durch eine Reduzierung von Emissionen Preissteigerungen vermeiden konnten, weil sie für die von ihnen verursachten Emissionen ausreichend Zertifikate kostenlos erhalten haben. Dadurch sind Unternehmen viel stärker als bisher veranlasst, CO2 Emissionen zu senken.
Preise sind an einem Markt das Ergebnis von Angebot und Nachfrage. Wenn das Angebot an CO2-Emissionsrechten zur Erreichung der Ziele stark verknappt wird, ist zu erwarten, dass die Preise stark ansteigen. Dies gilt insbesondere, wenn technische Alternativen wie eine Infrastruktur für E-Mobilität nicht zeitnah zur Verfügung stehen.
Dies führt zu sehr hohen finanziellen Belastungen von Verbrauchern. Inwieweit das in einer Demokratie von Wählern akzeptiert wird ist, vor dem Hintergrund von Protesten von „Gelbwesten“ gegen Benzinpreiserhöhungen in anderen Ländern zweifelhaft.
Für Verbraucher erhöhen sich die Preise und ihre Kaufkraft sinkt wie bei Erhebung einer Verbrauchssteuer. Anbieter können weniger Produkte absetzen. Ihre Umsätze sinken und dies reduziert ihre Innovationskraft. Um dem entgegen zu wirken, könnte die Emissions-Obergrenze möglicherweise verschoben werden, damit Zertifikatspreise nicht zu hoch steigen und die Akzeptanz bei Wählern nicht verloren geht. Die Erreichung der Klimaziele wäre gefährdet.
Insoweit erscheint es als große Herausforderung, das im Klimaschutzprogramm der Bundesregierung festgelegte Ziel zu erreichen und gleichzeitig durch ab 2026 eventuell geplante staatlich festgesetzte Mindest- und Höchstpreise die Preisbildung in einem begrenzten Korridor zu halten.
Das jetzt aufgelegte Klimaschutzprogramm beinhaltet einen inhärenten Zielkonflikt für staatliche Entscheidungsträger. Höchstpreise zum Erhalten der Akzeptanz passen nicht zu dem Ziel, Emissionen konsequent zu reduzieren.
Die Nichteinhaltung von vereinbarten Emissionsgrenzen ist mit Konventionalstrafen verbunden. Ähnlich wie bei den nie angewendeten Strafzahlungen im Rahmen der Währungsunion beim Verletzen der EU-Konvergenzkriterien ist zu befürchten, dass die Zahlung solcher Strafen gesellschaftlich nicht akzeptiert wird. In der Währungsunion müssten letztlich ohnehin unter Druck stehende Steuerzahler aus Defizitländern diese Zahlungen finanzieren. Eine fehlende Akzeptanz ist noch viel wahrscheinlicher, wenn Verbraucher bereits Preiserhöhungen hinnehmen mussten und dann weitere Abgaben in Form von Strafen anfallen. Offen ist dann auch, wer im Endeffekt an wen zahlen wird und was ein Empfänger mit den erhaltenen Strafzahlungen macht.
Der Staat verwendet die Einnahmen aus der Versteigerung der Zertifikate im Rahmen von Haushaltsentscheidungen. Es besteht die Gefahr, dass Leistungserbringung belastet und Transfereinkommen erzielt wird. Dies kann die Akzeptanz eines solchen Systems bei denjenigen reduzieren, die den Strukturwandel motiviert, kreativ und wettbewerbsorientiert voranbringen sollen. Dies wäre beispielsweise der Fall, wenn solche Einnahmen zur Finanzierung von steigenden Kosten der Altersversorgung verwendet werden. Parlamentarier entscheiden, wessen Kaufkraft erhöht wird. Sie können jedoch nicht erzwingen, dass und wofür erhaltene Mittel zu wirtschaftlicher Nachfrage führen. Dies wäre beispielsweise dann der Fall, wenn Förderprogramme für Gebäudedämmung nicht in Anspruch genommen werden. Im Ergebnis kann ein solches System zu ineffizienten staatlichen Entscheidungsprozessen bei begrenztem Wissen, Wahlgeschenken und der Gefahr einer Gefälligkeitskultur führen.
Menschen können das so empfinden, dass ihre freie Entfaltung der Persönlichkeit zu sehr reduziert wird und würden zumindest in Grenzen selber entscheiden wollen, wofür sie ihr natürliches Recht verwenden, CO2 zu emittieren. Dieser Effekt liesse sich jedoch vermeiden, wenn CO2– Verschmutzungsrechte den Menschen zugeordnet werden.
CO2– Verschmutzungsrechte als Bürgerrecht, Ausgestaltung und ökonomische Effekte
Erhalten die Bürger Eigentumsrechte gleichberechtigt (pro Kopf), so können sie ihre Zertifikate verkaufen und aus den Erlösen per Saldo höhere Produktpreise finanzieren. Die Kaufkraft bleibt erhalten. Verbraucher haushalten und entscheiden wofür im Ergebnis CO2 Emissionen verwendet werden. Erzeuger sind noch mehr veranlasst durch Innovationen notwendigen Preiserhöhungen entgegen zu wirken, um die weiterhin bestehende Kaufkraft in Umsätze – Produktverkäufe zu wandeln.
Ein Beispiel:
Ein Gasversorger müsste Zertifikate erwerben, was den Preis seines Produktes unter Umständen deutlich erhöht. Mit den Einnahmen aus dem Verkauf seiner Zertifikate kann ein Hausbesitzer einen erhöhten Preis für Gas zum Beheizen finanzieren. Heizt er sein Haus ohne fossile Energieträger, also z.B. mit geothermisch betriebener Fernwärme, entstehen für ihn keine Preiserhöhungen, denn der Versorger kann sein Produkt im Preis gleich lassen. Im Ergebnis erhält er kaufkrafterhöhende Einnahmen aus CO2 Emissionszertifikaten. Er kann damit andere Produkte erwerben und entscheiden, für welche Produkte er die Einnahmen aus dem Verkauf seiner Emissionsberechtigungen verwendet. Dies können auch Produkte sein, für die sich preiserhöhende CO2 Emissionen nicht vermeiden lassen, zum Beispiel dann, wenn er diese trotz der umweltschädlichen Effekte unbedingt benötigt.
Für den Besitzer eines mit Gas beheizten Hauses entsteht ein Anreiz, die Wärmeversorgung zu ändern, weil dann auch er Einnahmen hätte, mit denen er andere Produkte erwerben kann. Für den Gasversorger entsteht die Notwendigkeit, durch neue Techniken den Bedarf und damit die Kosten für CO2 Emissionszertifikate zu senken, um sein Produkt wieder wettbewerbsfähiger zu machen. Letztendlich wird das CO2 Emissionszertifikat effizient für das Produkt mit dem höchsten Nutzen verwendet.
Ein Inhaber von CO2 Emissionszertifikaten hat einen Anreiz, einen möglichst hohen Preis für seine Zertifikate zu erzielen. Um Spekulationen und damit möglicherweise Versorgungsengpässen durch Horten von CO2 Emissionszertifikaten entgegen zu wirken, ist wohl ein Ablaufdatum für ein Zertifikat notwendig.
Besonders umweltfreundliche Inhaber von Zertifikaten könnten auf einen Verkauf verzichten und so das staatlich zulässige Emissionsvolumen zusätzlich senken.
Wenn Individuen pro Kopf ein persönliches Recht auf CO2-Emissionen zusteht, kann dies zu Einnahmen bei denjenigen führen, die weniger CO2 verursachen, als sie Zertifikate haben. Bei ihnen entsteht Einkommen bzw. Vermögen. Schon vor längerer Zeit wurde der Vorschlag gemacht, Zertifikate pro Erdbewohner auszugeben und einen Handel mit CO2 Emissionszertifikaten zu einem Instrument der Entwicklungshilfe zu machen. Menschen mit besonders niedriger CO2-Verursachung könnten möglicherweise ein „Grundeinkommen“ aus veräußerten Zertifikaten erhalten
Es dürfte also wirkungsvoller sein, wenn nicht der Staat originärer Eigentümer der Zertifikate wäre, sondern wenn die CO2 Zertifikate an Bürger und Staat als Konsumenten verteilt würden. Diese wären veranlasst zu haushalten und würden beim Erwerb von einer Vielzahl von Produkten entscheiden, wofür CO2 Zertifikate eingesetzt werden.
Ein solcher Ansatz zur individuell verantworteten Reduzierung von CO2 Emissionen könnte ökonomisch vorteilhaft, effizient und wohl auch fair und gesellschaftlich akzeptabel sein.
Ein begrenztes Recht, CO2 zu emittieren, könnte als Menschenrecht verstanden werden. Möglicherweise wäre das auch aus verfassungsrechtlicher Perspektive so, denn Artikel 2 Abs. 1 Grundgesetz sichert die freie Entfaltung der Persönlichkeit zu. Dazu könnte auch das Recht zum Emittieren von CO2 gehören. Artikel 14 – das Recht auf Eigentum – könnte ebenfalls eine rechtsbegründende Norm sein.
[1] Subjektive Wertlehre der Grenznutzenschule, Carl Menger „Grundsätze der Volkswirtschaftslehre“ S. 86, 1871
[2] J. H. Dales, Pollution, Property and Prices, Toronto 1968
München, Januar 2020
Letzte Aktualisierung 19.04.2020
Der Ansatz, daß die Verbraucher Inhaber der Zertifikate/Verschmutzungsrechte werden, gefällt mir gut; um ehrlich zu sein, bin ich davon ausgegangen, daß das sowieso bei den neuen Verschmutzungsrechten der Fall sein wird. Bei dem Beispiel
mit dem Gasversorger und dem Konsumenten ist mir nicht klar, wieso es auf beiden Seiten Verschmutzungsrechte geben muß, soweit es um den Heizvorgang des Konsumenten geht: Wenn der Gasversorger dem Konsumenten das Gas liefert, entstehen doch insoweit keine Umweltbelastungen, für die der Gasversorger Verschmutzungsrechte/Zertifikate benötigen würde. Meine Frage geht in eine andere Richtung: Wenn die Verbraucher Eigentümer der Verschmutzungsrechte werden, mit anderen Worten über diese frei verfügen können, wie kann man dann gewährleisten bzw. imitieren, daß die Verbraucher in ihrer Mehrzahl sich wirklich so marktorientiert und nutzenmaximierend verhalten, daß es zu den erwünschten Effekten für die Umwelt, z.B. Heizen durch Erdwärme kommt, zumal ja in dem Beispiel die Möglichkeit des Verkaufs des Zertifikats von der vorherigen Investition in ein alternatives und nicht verschmutzendes Heizsystem abhängt. Mitgedacht werden müssen daher vielleicht staatliche Maßnahmen, die bei den Eigentümern der Zertifikate z.B. zu der erwünschten langfristig ausgelegten Handlungsrationalität führen.
Eine generelle Frage: Als ich seinerzeit (1986) mich mal mit den Zertifikaten beschäftigt habe, habe ich dafür plädiert, daß die Zertifikate im Verlaufe der Zeit einem regelmäßigen Wertverlust unterliegen, um so eine umweltpolitische Dynamik zu gewährleisten. Das Klimaprogramm der Bundesregierung hat ja mit der Verteuerung etwa des Schadstoffaustoßes von PKW etwas ähnliches im Sinn, auch wenn die Bepreisung natürlich viel zu niedrig ist. Wenn man aber die Zertifikate so konstruiert, daß sie einem ständigen Wertverlust unterliegen, dann sind die Dimensionen der wirtschaftlichen Verwertung durch die Eigentümer/Konsumenten – Stichwort Erzielung eines Grundgehaltes – nicht realistisch: Verderbliche Ware wird man so schnell wie möglich verkaufen, was dann, weil zu viel Ware auf den Markt kommt, zu Preisverfall führt.
In unserem Ausgestaltungsbeispiel sind nur die Produktanbieter verpflichtet nachzuweisen, dass sie Verschmutzungszertifikate für ihren Verbrauch am Markt erworben haben. Der Verbraucher/Eigentümer ist das nicht. Die CO2-Verschmutzungszertifikate werden somit Preisbestandteil des Produktes. Der Verbraucher/Eigentümer hat nur eine Entscheidung zu treffen: Er muss entscheiden, wann und zu welchem Preis er seine Zertifikate über einen Marktplatz an Produzenten und kommerzielle Verbraucher verkauft. Für einen solchen Verkauf kann es durchaus Berater geben, die Provisionen erzielen. Fraglich ist allerdings, ob ein Zwischenhandel zulässig sein kann, denn ein Zwischenhändler könnte versuchen, einen erheblichen Teil des Zertifikaterlöses durch eine möglicherweise bestehende Marktmacht abzuschöpfen.
Der Ansatz, einen Wertverlust über die Zeit herbeizuführen, wirkt Spekulationen entgegen und erhöht den Anreiz, den CO2-Ausstoß zu reduzieren, zusätzlich. Dies würde zum Beispiel erreicht, wenn die Menge der mit einem Zertifikat verbundenen Berechtigungen über die Zeit linear abnimmt. Wenn regelmäßig neue Zertifikate zugeteilt werden, kann auch regelmäßig immer wieder Eigentum bei den Konsumenten entstehen. Wenn tatsächlich irgendwann keine CO2-Emissionen mehr entstehen, würde in der Tat diese Art von Grundeinkommen entfallen.