Buchvorstellung: Mehr Vermögen für alle
Macht das Geldsystem des Westens „die Reichen immer reicher“? In seinem Buch zeigt Stefan Schmidt-Ammon, Geschäftsführer von Kaleidoskop Economics auf, wie eng Vermögensentstehung und Kreditgeldsysteme zusammenhängen. Er entwirft die Grundzüge eines nachhaltigen Geldsystems und entwickelt Ideen, wie neues Vermögen in der Breite entstehen kann.
Der Autor, Stefan Schmidt-Ammon, ist Volkswirt, vor allem aber auch Praktiker: Nach einer Banklehre und Studium in Hamburg und Freiburg hat er umfassende Erfahrungen an den internationalen Kapital- und Derivatemärkten gesammelt. Zunächst bei einer US-Investmentbank, danach bei einer deutschen Großbank und als Partner einer Asset Management Gesellschaft. Seine umfangreiche unternehmerische Tätigkeit umfasst unter anderem erfolgreiche Projektentwicklung in den Bereichen Immobilien und erneuerbare Energien sowie die Entwicklung innovativer Ideen wie zuletzt einen Online-Marktplatz für Prozessfinanzierung.
Als Praktiker betrachtet der Autor Geld „bottom-up“ – also aus der Perspektive des handelnden Menschen. Geld ist für ihn ein „Ermöglicher und Disziplinierer“. Er entwickelt Schritt für Schritt eine Geldprozesstheorie, die Geld nicht in Form von Kreislauf- oder Gleichgewichtsmodellen erklärt, sondern als evolutorischen Lern- und Entwicklungsprozess. Das hat durchaus den Charakter eines Lehrbuchs. Aber auch Leser, die meinen, den Prozess der Kreditgeldschöpfung längst verstanden zu haben, können in dem Buch neue Ideen und Denkansätze finden.
So unterscheidet der Autor zwischen klassischer, indirekter und derivater Kreditgeldschöpfung, entwickelt den Begriff „Fierivermögen“ und formuliert ein Kreditrisikotheorem. Er zeigt auf, wie eng Vermögensentstehung und Kreditgeldsysteme zusammenhängen. Verrmögen definiert er als Fähigkeit, Nutzen zu erzeugen, indem Kapital, Kompetenz, Kultur und Kreativität zusammenwirken. „Wer Vermögen hat, vermag etwas“.
Stefan Schmidt-Ammon belässt es nicht beim analytischen Blick des Wissenschaftlers. Aufbauend auf seinen Erkenntnissen gibt er Empfehlungen zur Gestaltung eines Steuersystems, das sich nicht auf Vermögensverteilung, sondern auf die Entstehung neuen Vermögens in der Breite konzentrieren sollte. Er entwirft das Konzept einer staatlichen „After-the-Event“-Versicherung als Schutzschirm für katastrophale Ereignisse wie die Corona-Krise. Und er zeigt auf, dass die Versuche der Zentralbanken, das Kreditgeldsystem mit massiver Zentralbankgeldschöpfung (Quantitative Easing) und negativen Zinsen zu stabilisieren, keineswegs alternativlos sind.
Besonders ungewöhnlich erscheint seine Idee, mittels indirekter Kreditgeldschöpfung eine „nächste Generation“ mit einem Startkapital von 100.000 € auszustatten. Ein solches „Chance for Life Budget“ könnte der Ausgangspunkt von neuem Vermögen in der Breite sein – sei es als Grundstock für die erste eigene Immobilie oder als Wagniskapital für unternehmerische Ideen.
Wolfram Weimer charakterisiert das Buch in seinem Vorwort als „ein ebenso lehrreiches wie originelles Kaleidoskop des modernen Geldes“. Dem können wir ebenso beipflichten wie seiner Empfehlung, die Idee eines Chance for Life Budgets aus der Feder eines überzeugten Marktwirtschaftlers nachzuverfolgen.

Stefan Schmidt-Ammon: Mehr Vermögen für alle – über ein nachhaltiges Geldsystem und ein Startkapital für die Jugend, CH. Goetz Verlag, München 2020, 254 S., 20,- Euro.